Unterwegs auf der Gibb River Road "Aus dem Reisetagebuch einer Aquarianer-Ehefrau"
Sie sind verheiratet? Nicht schlimm. Sie sind mit einem Aquarianer verheiratet? Auch nicht tragisch. Ganz im Gegenteil. Das sind die besten Ehemänner. |
Vor lauter Hobby haben die keine Zeit, um in die Kneipe zu gehen. Einen Fehler dürfen Sie allerdings niemals begehen: Mit ihm in dem Land Urlaub machen, in dem sich das Biotop seiner Pfleglinge befindet. Sie sind verraten und verkauft!! Von wegen, Urlaub. Nichts ist mit relaxen.
Aus eigenen Erfahrungen weiß ich zu berichten, dass der Stress schon beim einchecken auf dem Flughafen beginnt, denn ....... wir - dies sind mein Mann und ich - haben natürlich Übergepäck und das reichlich.
Darf ich vorstellen: Mein Aquarianer-Ehemann. |
Nicht wegen der üppigen Garderobe inklusive Schönheits- Accessoires meinerseits. Falsch, völlig falsch!!! Neben Zahnbürste und Zahnpasta habe ich mir nur noch zwei paar Hosen, drei T-Shirts, Unterwäsche und ein Paar Sandalen gestattet. Der Rest des Gepäcks lässt das Aquarianerherz höher schlagen: Fischreuse, Schlagnetz (auch Rambo genannt), Schleppnetz, Messgeräte zur Wasseranalyse, Temperaturmessgerät, GPS (falls wir uns im Outback verirren) und Fotoaquarium. Hier geht das eine Hobby in das nächste über, denn schließlich muss alles bildmäßig dokumentiert werden. Weiterhin kommen in das Gepäck: zwei Fotoapparate, sechs Objektive, Blitzlicht, diverse Filter und sonstiger Kleinscheiß. Und, nicht zu vergessen: ein Stativ (sauschwer) und einhundert (!!) Filme. Aber zurück zum Thema: Übergepäck. Wissen Sie nun, woher das Übergepäck kommt?! Nachdem die Bedienstete am Check-in-Schalter auch noch ihre Hühneraugen zugedrückt hat, entschwindet das Gepäck von dannen. Der Adrenalinspiegel sinkt wieder auf normales Maß.
Endlich sitzen wir im Flugzeug und können uns entspannt zurücklehnen. Nach 8 – 10 Stunden wechselt die Entspannung in Verspannung und die Füße fangen an zu klumpen. Und immer noch ist kein Ziel in Sicht. Vierundzwanzig Stunden nachdem wir unsere Wohnung in Köln verlassen haben, betreten wir australischen Boden: Broome in Westaustralien. Wir holen unser allradgetriebenes Wohnmobil bei der Autovermietung ab. Das wird für die nächsten vier Wochen unser rollendes zu Hause sein.
Im Outdoor-Laden nebenan kaufen wir noch einige lebensnotwendige Dinge, die man im Outback Australiens so braucht: Metallsäge, Engländer, Campinglampe, Arbeitshandschuhe, Abschleppseil, Klappspaten, Wassersack, Autosicherungen, Grillanzünder. Jetzt müssen wir nur noch für das leibliche Wohl sorgen. Die Einkaufsliste haben wir schon zu Hause vorbereitet, denn der Speiseplan für die nächsten Tage muss wohldurchdacht sein, da wir möglicherweise mehrere Tage lang keine Möglichkeit zum Einkaufen haben werden. Zum guten Schluss folgen wir noch dem Rat eines australischen Freundes und besorgen uns einen zweiten Ersatzreifen und jede Menge Toilettenpapier. Man weiß ja nie, was einen im Outback so erwartet.
Am nächsten Morgen brechen wir auf nach Derby, unser Ausgangspunkt für die Gibb River Road. Derby wird oft auch als "Gateway to the Gorges" (Tor zu den Schluchten) bezeichnet. Der Ort selbst ist nicht besonders sehenswert. Er dient den meisten – so wie uns auch – nur als Ausgangspunkt zu den Kimberleys.
Hier beginnt nun das Abenteuer auf vier Rädern, die Fahrt auf der "dirty road" (schmutzige Straße), der Gibb River Road, die ursprünglich als so genannte "beef road" zum Abtransport des Viehs von entlegenen Rinderfarmen gebaut wurde. Wir sind gerade einmal 90 km auf der Gibb River Road gefahren, da fliegt uns ein Stein, durch ein entgegenkommendes Fahrzeug aufgewirbelt, in die Windschutzscheibe. Das fängt ja gut an.
Gegen Mittag erreichen wir unser heutiges Tagesziel, den Windjana Gorge National Park. Nachdem wir für unser rollendes Heim ein schattiges Plätzchen auf dem Campingplatz gefunden haben, stiefeln wir gleich Richtung Windjana Gorge. Auf dem Weg zur Schlucht werden wir geräuschvoll begleitet. In den Bäumen sitzen nämlich große Schwärme von Nacktaugen-Kakadus. Auf einer Sandbank in der Schlucht sehen wir nun auch einige Krokodile liegen.
Johnston Krokodile |
Es sind die – für den Menschen ungefährlichen – Johnston Krokodile. Hoffentlich wissen das die Krokodile auch. Ich bin mutig und wage mich bis auf ca. 3 m an die Krokodile heran. Ins Wasser zu gehen trauen wir uns hier allerdings nicht!
Die Nacht (und auch die folgenden) verbrachten wir getrennt. Franz-Peter schlief im Zelt und ich im Auto. Am nächsten Morgen werden wir vom australischen Wecker – dem Kookaburra – aus den Federn gerissen. Der Kookaburra ist Australiens größter Eisvogel. Sein lautes, unverwechselbares Gelächter hat ihm den Namen "Lachender Hans" eingebracht. Es ist gerade mal 6.00 Uhr. Aber es ist taghell und sch.... kalt. In der Nacht waren die Temperaturen ganz nach unten gegangen. Nachdem die Sonne allerdings über den Felsen der Windjana Gorge auftauchte, wurde es sehr schnell wieder warm.
Und weiter geht die Fahrt auf der Gibb River Road. Nach ca. 10 km blicken wir auf die Napier Ranges – ein fossiles Korallenriff – und den Queen Victoria’s Head, eine Felsformation, die aus der Ferne wie ein Gesicht aussieht. Ob es denn wirklich der Queen Victoria ähnelt, das sollte jeder für sich entscheiden. Nach weiteren 20 km beginnen die King Leopold Ranges. Gewaltige Blockhalden und abgestürztes Granitgestein prägen hier die Landschaft. Die Straße wird nun sehr kurvenreich und es geht bergauf. Vom Inglis Gap aus – einer Passanhöhe – hat man einen phantastischen Panoramablick.
Wenig später passiert es dann! Ein Flüsschen – der Apex Creek – kreuzt unseren Weg. Jetzt gibt es kein halten mehr. Da sind gaaaanz bestimmt Fische drin. Franz-Peter legt die Reuse aus. Einige Splendida australis – oder so ähnlich – gehen ihm ins Netz.
Außerdem findet er eine sehr schöne rote Stengel-Wasserpflanze (?). Beides – Fische und Pflanze – kommt zusammen ins Fotobecken. Jetzt beginnt die Fotosession. Lange halten wir es hier jedoch nicht aus. Unzählige, lästige kleine Fliegen sorgen dafür, dass wir schnell die Flucht ergreifen.
Bis zum Fern Creek ist es allerdings nicht weit. Auch hier wird selbstverständlich wieder die Reuse ins Wasser gehalten. Der Bell Creek ist schließlich das letzte Gewässer am heutigen Tag. Hier werden jedoch nur einige Biotopaufnahmen gemacht. So langsam wird es Zeit, dass wir zu dem von uns avisierten Campingplatz in der Nähe der Bell Gorge kommen.
Auch am nächsten Tag liegen wieder einige wunderschöne Schluchten auf unserem Weg. Besonders angetan war Franz-Peter von der Adcock Gorge. Hier gab es mehrere Wasserpools, wobei einer davon voller Wasserpflanzen war. Dort wurde – natürlich in der größten Hitze – ausgiebig fotografiert. Nach einer kurzen Stippvisite zur Galvans Gorge machten wir uns auf den Weg zum Mt. Barnett Roadhouse. Hier nutzten wir die Möglichkeit, den Wagen aufzutanken. Nun waren es nur noch wenige Kilometer bis zu unserem heutigen Campingplatz. Duschen gab es hier keine, dafür aber einen wunderschönen Naturpool, der einen direkt zum Baden einlud. Also, raus aus den Klamotten, rein in den Badeanzug und ab ins Wasser. Ein Genuss nach der Hitze und dem Staub des heutigen Tages.
Am nächsten Morgen geht’s zum Fische fangen in der Nähe der Manning Gorge. Dabei passierte es dann. Franz-Peter will sich langsam ins Wasser reingleiten lassen, um die Fische mit der Tauchermaske unter Wasser zu beobachten. Beim Reingleiten ins Wasser bleibt sein dicker Zeh an einer Baumwurzel hängen. Da die "umfangreiche" Masse schon voll in Schwung ist und die Baumwurzel nicht nach gibt, löst sich der Zeh unter lautem Knacken von den Hindernis. Das Ergebnis, der Zeh zumindest angebrochen, wird in kürzester Zeit von rot, blau und dick.
Trotzdem fahren wir weiter, denn unser Traumziel heißt Mitchell Falls.
Bis jetzt hatte ich ja noch riesiges Glück, denn Franz-Peter hat seine Fische bislang stets mit der Reuse gefangen. Und das Fangen von Wasserpflanzen lässt sich auch problemlos alleine bewältigen.
Der Drysdale River - Eine wunderschöne Flußlandschaft, die zum Fischfang einlädt. |
An der Durchfahrt des Drysdale Rivers verließ mich jedoch mein sprichwörtliches Glück. Diese Stelle lud verführerisch zum Fische fangen ein. Aber das war hier nur zu zweit mit dem Schleppnetz möglich. Da Franz-Peter seinen bunten, dicken Zeh nicht ins Wasser reinhalten wollte, musste ich dran glauben: Schuhe und Strümpfe aus, Hose hochgekrempelt und auf geht’s. Franz-Peter stand am Rand des Rivers auf der Stelle, während ich mit dem Netz einen Bogen um ihn herum schlug und weisungsgemäß das Netz durch das Wasser zog. Und hoch!!! Eine riesige Ausbeute. Ein mit Wasser gefüllter Eimer diente als Zwischendepot für die gefangenen Fische. Natürlich mussten dies auch noch ausgiebig fotografiert werden. Also erst mal wieder ab ins Wasser, Fotobecken mit Wasser füllen, anschließend die Scheiben außen trocken reiben und nun noch nach einem optimalen Standpunkt für das Fotobecken suchen. Falls sich nichts brauchbares finden lässt, hat man ja schließlich auch noch seine Frau dabei, die das Fotobecken auf "Händen tragen" kann. Aber damit nicht genug. Selbst-verständlich muss noch eine Wasseranalyse gemacht und die Luft- und Wassertemperatur gemessen werden. Ich wähnte mich nun schon trockenen Fußes im Auto sitzend. Aber weit gefehlt. Zum Abschluss mussten schließlich von der Straße aus noch einige Biotopaufnahmen gemacht werden. Auch dafür war ich auserkoren, denn die Straße stand unter Wasser. Und schließlich war ich diejenige, die immer noch barfuss war. So ganz allmählich bekam ich Schwimmhäute zwischen den Zehen.
Wer trägt eigentlich mich einmal auf Händen? |
Heute Nacht wagten wir ein Experiment. Da die Nächte doch recht kühl waren und Franz-Peter wegen seiner etwas umfangreichen Leibesfülle in einen "Standard-Schlafsack" nicht hineinpasst, wollte er zusammen mit mir im Auto schlafen. Da ich in den letzten drei Jahren auch etwas fülliger geworden war, war die untere Schlaffläche für beide zusammen etwas knapp. So baute ich mir in der 1. Etage mein Bett. Da ich jedoch dort oben Platzangst bekam, zog ich wieder nach unten zu Franz-Peter. So gegen 3.00 Uhr in der Nacht hielt Franz-Peter es nicht mehr aus. Nun zog er in die obere Etage. Das war mir allerdings nicht so ganz geheuer. Jedes mal, wenn er sich umdrehte, fürchtete ich, dass die Bretter durchbrechen. Ich war froh, dass wir aufstehen konnten.
Eigentlich wollten wir mit dem Auto bis zu den Mitchell Falls fahren. Vom Parkplatz aus hätte man nach Auskunft von Bruce Hanson noch ca. 3 Stunden zu Fuß laufen müssen. Dies war meinem "fußkranken" Franz-Peter nicht mehr zuzumuten. Also erheben wir uns heute in die Lüfte. Wir haben einen Flug zu den Mitchell Falls gebucht. Mit einer sechssitzigen Maschine fliegen wir über den Prince Regent River, die Kings Cascades, das St. Gorge Basin und den Mount Trafalgar bis zum Mitchell Plateau. Von hier aus geht es mit dem Helikopter weiter zu den Mitchell Falls. Da wir keine Netze mitgenommen hatten, genossen wir es, in einem wunderschönen Wasserpool gemeinsam mit den Fischen um die Wette zu schwimmen. Anschließend machte unser Pilot mit uns noch eine Wanderung zu einem Plateau mit Blick auf die Wasserfälle. Es war eine ziemlich anstrengende Kletterpartie, aber der Ausblick von hier auf die Wasserfälle war grandios.
Gegen Mittag war unser Ausflug beendet und für uns hieß das wieder "back on the road". Heute wollten wir allerdings nicht mehr allzu weit fahren. Die letzte Nacht hatte doch heftige Spuren bei uns hinterlassen. Am frühen Nachmittag erreichen wir die Ellenbrae Station. Hier werden wir übernachten. Also, the same procedure as every day: einen schönen Standplatz aussuchen, zweiten Ersatzreifen, Stühle und Kisten aus dem Auto raus. Zelt aufbauen, Gasflasche an den Kocher anschließen, Wasser holen, Abendessen vorbereiten. Inzwischen hatten wir hier schon eine gewisse Routine entwickelt.
Und damit es heute Nacht nicht wieder zu einem Fiasko kommt, schläft wieder jeder für sich. Allerdings schlafe ich nun im Zelt und Franz-Peter im Auto.
Sie wollen wissen, wie es weitergegangen ist. Nun, ein bisschen Fisch, ein bisschen Abenteuer und zum guten Schluss auch noch ein bisschen relaxen. Alles in allem ein phantastischer Urlaub!
Auch wenn das Reisen mit einem Aquarianer ganz schön anstrengend und nervenaufreibend ist, es macht auch riesigen Spaß!! Und, was soll ich sagen, die nächste Reise im Jahr 2000 ist schon geplant. Dieses Mal geht es zusammen mit Hilda und Gilbert Maebe nach – wie sollte es anders sein – Australien. Wobei ich sagen muss, mit Gilbert zu Reisen ist schon eine echte Herausforderung. Bei ihm muss man sich jede fischfreie Minute erkämpfen. Und trotzdem macht es riesigen Spaß, mit ihm und Hilda auf Reisen zu gehen.
PS. .... und über die gefangenen Fische wird mein (Fach-) Mann wohl irgendwann einmal berichten, wenn er mal wieder etwas mehr Zeit hat.
Ulrike Müllenholz