Tierkinder

Tierkinder... wecken manchmal fast vergessene Empfindungen in uns. Wir finden sie drollig, oder man sagt "ach Gott, sind die süß".

 

Jedoch verkneift man sich diese Rede beim Anblick von Schlangen, Kröten oder Spinnen. Warum wohl bleiben hier die positiven Empfindungen aus? Nun - die Furcht oder tiefe Abneigung vor diesen Tieren ist sehr alt und oft von traditionellem Aberglauben geprägt. Tatsächlich liegen eigene negative Erfahrungen aber nur äußerst selten vor. Begegnen uns aber Kinder brutpflegender Säuger (Mammalia) oder nestflüchtender Vögel (Aves), ist die positive Stimmung da, ob wir es wollen oder nicht. Hier wirkt das von Konrad Lorenz beschriebene "Kindchenschema" prompt. Der Anblick von Kücken, Kätzchen oder Lämmern reizt vor allem Mütter, aber auch unsere Kinder ohne jegliche Erfahrung (!) zum Streicheln. Was aber löst diese Stimmung und schließlich das Verhalten aus?

Es ist die insgesamt rundliche Gestalt mit der Stupsnase im kleinen Gesicht des oft kugelrunden Kopfes. Die Tapsigkeit, das wuschelig pummelige Aussehen, das kindliche Schutzbedürfnis und die Hilflosigkeit "machen uns an". Darin sieht die Wissenschaft Beweise für Reste von Instinktverhalten beim Menschen. Ohne bewusstes Denken oder gegen jede vernünftige Überlegung handelnd, geraten so z.B. immer wieder Wildtiere in Menschenhand, und viele müssen dadurch sterben.

Das Kindschema löst also den Brutpflegetrieb nicht nur aus, sondern regt ihn auch an. Das frühkindliche Spiel mit Tierkindern (oder Puppen) wird daher gewertet als das "Trainieren" von Brutpflege an Ersatzobjekten.

Nun beschäftigen wir uns in der Freizeit ja mehr mit Fischen. Und frühkindlich möchte ich dieses "Spiel" auch nicht bezeichnen.

Dennoch ergeben sich bei genauer Betrachtung einige Parallelen:

Als "praktizierender Aquarist" kann man weder an neugeborenen Platy’s, an jungen Salmlern, an Barben noch an Killi’s ein Kindchenschema entdecken. Sie und andere Fische sind in dem Alter weder pummelig und kaum einer findet sie süß. Dazu zeigen sich deren Eltern wahrlich wenig "engagiert", wenn es darum geht, den Nachwuchs vor Feinden zu schützen.

Wozu also ein Kindchenschema, wenn Brutpflege nicht zu ihrem Genbestand gehört?Da bleiben aber noch einige Welse und natürlich Buntbarsche: Von ihnen kennen wir Brutpflege mit außerordentlichem Engagement. Auch dass Buntbarsche dies schon früh üben, wenn sie lange vor ihrer Geschlechtsreife Wasserflöhe oder Tubifex "hüten" bzw. (als Ersatzobjekte) verteidigen, ist hinreichend bekannt. Kommt es aber dazu, dass Buntbarscheltern Wochen oder Monate ihre Kinder mit Sorgfalt pflegen und mit Vehemenz verteidigen, dann wirkt dieses Engagement auf uns geradezu wie besagtes Kindschema.

Brutpflege und Verteidigung fast bis zur Selbstaufgabe! Sind sie uns darin nicht sehr ähnlich? Liegt darin etwa die häufige Zuwendung zu den Cichliden? Oder macht es das rundliche, pummelige Aussehen dieser Tierkinder am Anfang ihrer Tage?

Schauen sie doch einmal genauer hin. Viel Freude wünsche ich dabei!

Lothar Zenner