Aus Riesengurami wird Stachelaal

Viele Fischarten, die ich zum Teil schon jahrelang pflege, haben sich bei uns, das heißt im „Kölner Aquarium am Zoo", bereits fortgepflanzt. Arten, die aus unterschiedlichen Gebieten stammen,
stellen auch verschiedene Ansprüche bei ihrer Hälterung. Da aber die Nachzucht immer als oberstes Ziel anzusehen ist, werden auch immer wieder Versuche gemacht, die Fische, die noch nicht wollten, dazu zu überreden. Zu diesen Arten zählte auch der Riesengurami, Osphronemus gorami. Was aus dem Zuchtversuch wurde, wird nachfolgend geschildert.


 

 

Über das Nest des Riesenguramis, Osphronemus gorami, reichen die Angaben in der Literatur vom Bau eines Schaumnestes mit einem Durchmesser von 1 m bis zum Nestbau aus Pflanzenfasern. Ein Schaumnest hätten unsere Riesenguramis bauen können, taten es aber nicht. Also Pflanzenfasern, aber welche? Nach einigem Überlegen blieben als bestes Material Kokosfasern übrig. Dieses Material hat sich beim Nestbau von Vögeln bewährt, warum also nicht auch bei Fischen.

Wie wird aus dem Riesengurami, Osphronemus gorami (oben). ein Stachelaal, Mastacembelus erythrotaenia (unten)?

Unser Riesenguramipaar ließ sich nicht lange bitten. Fasern, die lose in das Aquarium gebracht wurden, nahmen sie mit dem Maul auf, formten daraus kugelähnliche Gebilde und spuckten diese dann in der Nähe der Wasseroberfläche zwischen den im Becken befindlichen Bambusstäben wieder aus. Nach einigen Fehlversuchen blieben die ersten Kugeln zwischen den Stäben hängen. Nun ging es erst so richtig los.

Immer weitere Fasern wurden zwischen den Stäben verankert und mit dem Kopf durch Rammstöße verdichtet. Dieser Vorgang wurde von beiden Partnern nun über einige Tage sehr intensiv weiter betrieben. Die Menge an Kokosfasern, die so verbaut wurde, war schon beachtlich. Das Nest hatte zum Schluss einen Durchmesser von ca. 40 cm. Die Unterseite war von den Guramis durch Kopframmstöße mit einer Ausbuchtung versehen worden. Das Paar war durch den gemeinsamen Nestbau in Stimmung gekommen. Das Weibchen wurde durch das ganze Becken bis unter das Nest getrieben. Nach einigen Versuchen, bei denen sich das Paar unter dem Nest nach kurzem Umschlingen mit dem Bauch nach oben drehte, muss es dann auch irgendwann Eier abgegeben haben. Nachdem die Eier im Nest waren, wurden sie von beiden Partnern mit etwas Kokosfasern von unten abgedeckt.

Männchen  des Riesenguramis beim Nestbau.
Kokosfasern werden mit dem Maul aufgesammelt
und zu kugeligen Gebilden geformt und...

zwischen Bambusstangen an der Wasseroberfläche
zu einem Nest verankert.

Durch Kopframmstöße werden die Kokosfasern verdichtet.

Pärchen des Riesenguramis, Osphronemus gorami,
bei der Balz unter dem Nest.

Das Guramipaar versuchte die anderen Beckeninsassen vom Nest fernzuhalten. Seine Argumente in Form von kräftigen Rammstößen waren sehr überzeugend. Um etwas über die Eientwicklung zu erfahren, habe ich das Nest von oben vorsichtig geöffnet und einige Eier entnommen. Ihre Größe war ca. 5 mm im Durchmesser, ihre Färbung leicht gelblich und durchsichtig. Sie waren stark ölhaltig und schwammen an der Wasseroberfläche. Vorsichtig habe ich sie auf verschiedene Wassersorten - von weich und sauer bis hart und alkalisch - verteilt. Leider konnte keine Zellteilung festgestellt werden, und die Eier zerfielen alle. Aber da ich nie so schnell die Hoffnung aufgebe, blieben die Kokosfasern im Aquarium. Das stellte sich später als glücklicher Zufall heraus.

Das Nest des Riesenguramis von oben gesehen.

Die Kokosfasern wurden mit der Hand angehoben und die nun an die Oberfläche treibenden Eier sichtbar gemacht.

Eier des Riesenguramis im Größenvergleich mit Millimeterpapier. Leider entwickelten sich die Eier nicht.

Wie schon beschrieben, wurden vom Guramipaar die anderen Beckeninsassen stark gejagt, nur die Stachelaale, Mastacembelus erythrotaenia nicht. Die wurden wohl nicht so ganz ernst genommen. Immer öfter trieben sich einige Stachelaale in der Nähe des Nestes herum. Einige Tage später entschloss ich mich, Teile der Kokosfasern aus dem Becken zu entnehmen, denn es hatte sich über Tage hinweg Schmutz in den Fasern angesammelt. Da ich Dekorationsmaterial, das ich aus einem Aquarium entnehme, nicht einfach wegwerfe, sondern vorher genau anschaue, können Sie sich wohl meine Überraschung vorstellen, als ich „Bewegung" in den Fasern bemerkte. Ich zupfte die Fasern auseinander und überführte „Wasser mit Schmutz und Bewegung" in ein 10-Liter-Plastikbecken. Haben Sie schon mal versucht, 10 l  Wasser gemischt mit veralgten Kokosfasern und Mulm schön säuberlich zu trennen? Kann ich nur jedem empfehlen, es beruhigt ungemein. Ja und als dann nach einiger Zeit endlich die „Bewegung" deutlich sichtbar wurde, konnte ich es kaum glauben: Etwa 20 mm lange und nur bindfadendünne junge Stachelaale mit bräunlicher Färbung waren die Ursache der „Bewegung" gewesen. Wenn Sie junge Guramis erwarten und dann junge Stachelaale finden, sind Sie wahrscheinlich genauso überrascht, wie ich es war. Ja und weil es so schön war, wurden die restlichen Kokosfasern auch noch aus dem Aquarium entnommen und erst einmal in den Filter gelegt.

Stachelaal, Mastacembelus erythrotaenia, am Boden des Aquariums unterhalb des Riesenguraminestes. Einige vom Nest herabgefallene Kokosfasern liegen am Boden.

Stachelaal im Nest des Riesenguramis

Insgesamt waren in dem Guramibecken etwa 30 bis 40 l Kokosfasern. Da Kokosfasern dünn, länglich und braun sind, junge Stachelaale aber auch, können Sie sich vorstellen, dass ich einige Stunden damit verbrachte, alles fein säuberlich zu trennen. Die Schmerzen im Rücken waren aber zum Schluss schnell vergessen, als ich beim Zählen auf 50 junge Stachelaale kam.

Einige Tage alte Jungtiere des Stachelaales.....

und ein Porträt eines schon schön gezeichneten Jungtieres.

Die Jungtiere wurden dann in ein 40-Liter-Becken gesetzt. Sie fraßen von Anfang an Artemia und ausgesiebte Wasserflöhe, Enchyträen wurden nicht genommen. Im Abstand von wenigen Tagen wurden sie fotografiert. Am zehnten Tag waren sie schon ca. 28 mm lang, nach 18 Tagen zwischen 35 und 40 mm und nach 28 Tagen schon über 55 mm. Dass sie bei diesem Wachstum auch entsprechende Mengen Futter brauchten, ist wohl jedem klar. Das aber bedeutet auch eine starke Belastung des Wassers. Also ist ein gut funktionierender Filter wichtig. Aber das alleine genügt nicht. Wasserwechsel ist eine der wichtigsten Übungen.

Die Jungtiere des Stachelaales halten sich in der Nähe der Wasseroberfläche auf .. ein Jungtier in Wurzeln einer Schwimmpflanze.

Als erste Behausung wurde ein Quast aus Bast in das Aquarium eingehängt.

Einige Worte zum Verhalten der jungen Stachelaale im Aquarium scheinen mir noch angebracht: Bei Tieren, die so nahe an der Wasseroberfläche ablaichen, schien es mir sinnvoll, auch den Jungfischen das Leben an der Oberfläche zu ermöglichen, da auch einige Schwimmfarne ständig ihr Interesse fanden. So habe ich als erstes einen Quast aus Naturbast an der Wasseroberfläche verankert. Dieser „Rasierpinsel" wurde von ihnen dankbar angenommen. Aber die jungen Stachelaale wurden schnell größer und der Platz im Quast zu eng.

Zu einem Paket geschnürte Bambusrohrstücke wurden als willkommene Apartmentwohnung angenommen...

die aber mit zunehmendem Wachstum der Jungen durch Anbauten erweitert werden musste.

Die nächste Lösung, bei der die Jungen auch nicht immer nach unten herausfallen, waren Abschnitte von Bambusstäben. Sie wurden als Paket in das Aquarium eingehängt. Das war der Hit. Die Apartments waren schnell ausgebucht, es musste angebaut werden. Von nun an konnte man den Jungfischen beim Wachsen zuschauen. Es dauerte dann auch nicht mehr lange, bis sie so aussahen und so lebten wie ihre Eltern.

 

 

Dieter Ziehm