Wer jemals Apistogramma-Arten pflegte – den wird ihr ausgeprägter Sexualdimorphismus beeindruckt haben. So kommt es immer wieder vor, dass Männchen annähernd das Dreifache an Körpermasse und das Doppelte der Körperlänge arteigener Weibchen erreichen können. |
Diese Merkmale findet man häufig bei Apistogramma steindachnerei, A. macmasteri, A. hongsloi, A. bitaeniata, A. agassizii, A. trifasciata und beim „Rotpunkt“-Apistogramma.
Hierfür auf Anhieb natürliche Ursachen oder gar Notwendigkeiten zu sehen, fällt schwer. Wer jedoch - dem Trend folgend, diese kleinen Buntbarsche in vergleichsweise großen Aquarien pflegt, der kommt den Dingen schon näher. Aber er kommt ihnen nicht nahe genug, so lange diese Becken ein Sammelsurium an Arten sind.
Kann er sich aber dazu entschließen, acht bis zwölf Jungtiere in höchstens zwei Arten (!) auf mehr als einem m2 Grundfläche allein zu lassen, der wird bald folgende Beobachtung machen:
Obwohl dieser Besatz die natürliche Populationsdichte vermutlich weit übersteigt, werden sehr bald einige Individuen beginnen, ihren Aktionsradius annähernd auszuleben. Das heißt, sie werden ihre artspezifischen territorialen Ansprüche geltend machen. Dabei werden sie alle anderen rigoros unterdrücken. Unter Anwendung von artspezifischen Signalen kämpfen dabei territorial gestimmte Individuen beiderlei Geschlechts zunächst um Futterreviere, Mindestwohngebiete oder Schutzgebiete für die spätere Fortpflanzung. Das dabei gezeigte Verhalten richtet sich in erster Linie gegen das gleiche Gebiet beanspruchende Konkurrenten derselben Art, erst in zweiter Linie gegen fremde Arten.
Das Repertoire dieses Verhaltens ist sehr vielseitig. Demonstriert wird u. a. frontales und laterales Drohen mit gespreizten Flossen oder Schräglage des Körpers, Dunkelfärbung der Flossen, Maulsperren, Schwanzschlagen und schließlich Maulzerren. Je nach Ausgang der Kämpfe folgt dann das Jagen der Besiegten usw. Immer wird also das Kräfteverhältnis, aber auch die Zahl der Konkurrenten Umfang und Grenzen der Territorien bestimmen oder sie völlig auflösen. In strenger Auslese werden so die Schwächeren zurückgedrängt, kräftig entwickelte Männchen aber immer häufiger Sieger. Bald dominieren einzelne über die Mehrheit und eine interessante Erscheinung bildet sich aus:
Durch die erhöhte Kraftaufwendung der Sieger kommt es (nur) bei ihnen zu einem „Trainingseffekt“, nämlich zur verstärkten Ausbildung von Körpermasse, Körpergröße, Flossen- und Farbentwicklung. Damit erlangen die Erfolgreichen weitere Vorteile bei ihrer Machtausübung zur Revierbildung.
Dieser Prozess – der etwa im 3. Lebensmonat beginnt – wirkt optisch wie ein Nachvollzug des Teils der Evolution, in dem sich der Sexualdimorphismus dieser Versteckbrüter entwickelt hat.
Was zeigt sich noch: wie bei anderen Tieren auch, kommen diese dominanten – physisch bevorteilten Männchen auch bevorzugt zur Fortpflanzung. Dabei bewirkt deren Stärke auch genügend Macht über ein größeres Revier bzw. Territorium. Große Reviere bieten (in der Natur) aber nicht nur mehr Nahrung schlechthin, sondern erlauben es auch, dass diese Männchen mehrere Weibchen an sich binden und in Polygamie die Aufzuchtsrate erhöhen.
Dazu sei noch vermerkt, dass die vorgenannten Arten allesamt einen großen Territorialanspruch dokumentieren – vorausgesetzt, die Konkurrenten erlauben das! Die Effektivität einer Fortpflanzungsperiode hängt also auch davon ab.
Lothar Zenner