Buntbarsche - was ist ihre Nahrung in der Natur?

Eine vergleichende Betrachtung aus der Sicht eines Züchters.

Schon seit grauer Vorzeit pflegt der Mensch Tiere. Das tut er zu seinem eigenen Nutzen oder nur zu seiner Unterhaltung. In beiden Fällen ist sein Erfolg dabei aber immer davon abhängig – wie es ihm gelingt, erträgliche Umwelt- und Lebensbedingungen für seine Pfleglinge zu schaffen.Was hat das alles mit Aquaristik und Buntbarschen zu tun?

Bild fehlt

 

Nun – wir alle kennen den hohen Stellenwert von Aquarien in der Heimtierhaltung. Und wie hoch dabei die Buntbarschpflege abschneidet, das bedarf keiner statistischen Erhebung.

Wie „unterhaltsam“ aber Fische allgemein und Cichliden im besonderen jedoch sein können, auch das hängt in hohem Maße von den Lebensbedingungen ab, die wir ihnen bieten. Genügend große Becken, der Natur nachgestaltete Dekorationsmittel und naturnahe Bedingungen bei den Wasserwerten lassen sich dabei noch recht gut realisieren. Ungemein schwieriger wird es aber, wollten wir die Pfleglinge „natürlich“ oder wenigstens naturnah ernähren. Glücklich können sich da eigentlich nur jene schätzen, die Buntbarsche aus den ostafrikanischen Grabenseen pflegen – denn nur von dort ist aus Feldbeobachtungen hinreichend bekannt, woraus die natürliche Nahrung der Arten besteht.

Was aber tut die große Zahl derer, die den kleinen Buntbarschen Amazoniens verfallen sind? Wohl die Mehrzahl von ihnen reicht diesen Arten das, was Tradition ist: nämlich rote Mückenlarven, Tubifex und noch manch andere fetten Brocken. Und danach sehen die Fische meist auch aus. Wenn nicht schon krank, zeigen sie kaum brillante Farben, wie sie für „Buntbarsche“ doch an sich typisch sind.

Wie ist das vermeidbar? Dafür gibt es schon Jahrzehnte bewährte Rezepte – und alle beginnen damit, dass die Nährtiere aus ökologisch halbwegs intakten Systemen, Teichen, Weihern, Seen oder sauberen Bächen stammen. Also solche, die den Heimatgewässern ähnlich sind, wegen ihrer Sauberkeit jedoch weder Chironomus noch Tubifex enthalten! Züchter von südamerikanischen Zwergbuntbarschen scheren sich daher recht wenig um die Branchenwerbung. Aus dem guten Grund ihrer Erfahrungen bleiben sie bei ihrem Rezept. Neugierige unter ihnen aber gaben sich damit nicht zufrieden. Sie suchten und fanden Berichte von Amazonasreisenden, die nicht nur pH-Werte, Wassertiefen, Leitwerte und Temperaturen in Grad Celsius analysierten – sondern auch etwas preisgaben über das ökologische Umfeld am Fundort der Arten und das Nahrungsaufkommen im Biotop.

Diese „Neugier“, welche Konrad Lorenz einmal als die Triebfeder Nr. 1 auf dem Weg der Erkenntnis nannte, wurde bald belohnt. Deshalb sei hier auch für andere in diesem Sinn Neugierige einmal berichtet, was Wissenschaftler in fischreichen Gewässern Amazoniens vorfanden: Zunächst schreckte sie der offensichtliche Nahrungsmangel in den tropischen Wasserläufen. Dieser warf sogleich die Frage auf, wovon die vielen Arten und Individuen überhaupt leben.

Bald zeigten die Untersuchungen, dass selbst das periodisch hohe Aufkommen von Anflugnahrung in Form von Insekten für die ganzjährige Ernährung der Fische nicht von Bedeutung ist. Dafür sind es einfach zu viele Mäuler. Ähnlich verhält es sich mit den Wirbellosen im Wasser und auf dessen Grund (Würmer, Schnecken, Insektenlarven u.a.). Auch sie scheiden mengenmäßig als Nahrungspotential aus, weil es nicht genügend davon gibt.

Aber auch das Zooplankton, das die Hauptnahrung vieler europäischer Arten bildet, ist in der Populationsdichte viel zu gering.

Was sind dafür die Ursachen? Wie fast überall im tropischen Regenwald herrscht in den untersuchten Gebieten ein enormes Defizit an Nährstoffen – wenn man europäische Verhältnisse gegenüberstellt. So waschen die großen Niederschlagsmengen (bis 3.000 Millimeter pro Quadratmeter) den Boden als Nährstofflieferant immer wieder stark aus – und verdünnen auch gelöste Nährstoffe im Wasser mehrmals im Jahr auf ein Minimum. Außerdem wirken regional starke Huminsäuren wie auch die großflächige Abschirmung des Sonnenlichtes (unter dem Blätterdach des Regenwaldes) der Bildung von Lebensgrundlagen populationsstarker Fischnährtiere entgegen.

Somit basieren die Nahrungsketten auf pflanzlichem und tierischem Material, welches vom Regenwald in die Gewässer gelangt. Dieses wird von vielen Fischarten direkt verwertet. Andererseits wirkt die Vielfahrt der Arten im System der Gewässer wie ein „Filter“ – der die verwertbare Nahrung (Insekten, Blüten, Blütenstaub, Früchte, Samen, frisches Grün., Algen, Detritus, Tierleichen ...) auffängt und einem eingeschlossenen Kreislauf zuführt.

Die Verwertung der Stoffe ist dabei so vollkommen, dass z. B. für eine Unterwasserflora fast nichts übrigbleibt. Daraus erklärt sich wohl auch die stark verarmte Artenzahl echter Wasserpflanzen. Aufgrund der großen Nahrungskonkurrenz und spezifischer Anpassungen entwickelten sich dazu eine große Zahl räuberischer Arten wie Raubsalmler, Hechtartige, Welse sowie kleine und große Buntbarsche. Diese profitieren dann in hohem Maße von den mächtigen Salmlerpopulationen und Jungfischen verschiedenster Art.

Unter Ausnutzung ökologischer Nischen z. B. auch jener, die sich aus dem Wechsel von Hoch- und Niedrigwasser resultierenden Raum- und Flächenänderungen ergeben – leben also in derart komplizierten wie empfindlichen Ökosystemen viele Fischarten buchstäblich voneinander. Die Großen von den jeweils Kleineren und diese von anderer Brut oder Laich. Als sogenannte Gipfelräuber stehen hierbei die Großbuntbarsche und großen Welse vor den Kaimanen und dem Menschen am oberen Ende der Nahrungskette. Das bedeutet jedoch auch für sie immer noch auf der Hut zu sein, denn auch ihre Dezimierung ist mit dem nächsten Niedrigwasser vorprogrammiert.

Spätestens in den verbindungslosen Restwasseransammlungen schlagen dann nach Monaten währender Hungerzeit Kaimane, Beutelratten oder auch Schildkröten und andere Räuber zu, um ihr eigenes Überleben zu sichern. So wechseln im Jahreslauf mehrmals Nahrungsmangel für die einen mit fetter Beute für die anderen und umgekehrt. Dies geschieht unter harten Konkurrenzbedingungen – an denen in besiedelten Gebieten auch der Mensch beteiligt ist.

Doch zurück zu den Buntbarschen im Aquarium: Längst nicht mehr den Gefahren der Wildnis ausgesetzt, gilt für sie immer noch das Wolfsgesetz vom „Fressen oder gefressen werden“, das die Evolution formte.

Also geht es bei ihnen instiktiv immer noch ums Überleben. Das veranlaßt sie wohl auch, fast nichts zu verschmähen – und die meisten gedeihen prächtig.

Wir haben also die Wahl und die Verantwortung, unsere Pfleglinge zu ernähren oder zu mästen. Beim Kennenlernen von Zwergbuntbarschen aus Amazonien, zum Beispiel Apistogramma-Arten und vielen anderen (mit hohen Ansprüchen) zeigt sich jedoch eine gänzlich andere Situation:

Da begegnen wir Arten, die partout nichts annehmen, was sich nicht aktiv bewegt. Selbst Frostfutter, worauf andere ganz wild sind, wird nicht oder erst nach längerer Gewöhnung und Hunger angenommen. Das hat zweifellos einen Zusammenhang mit einer ökologisch begründeten Räuber-Beutebeziehung, welche hier nicht wirkt.

Werden aber lebende, zuweilen überdimensionale Beutetiere angeboten – dann zeigt sich besonders bei Apistogramma der geborene Raubfisch, der alles konsequent jagt, was er bewältigen kann. Dieses Verhalten ist aber weiter nichts als deren Überlebensstrategie beim Nahrungserwerb: nur was sich bewegt, kann Beute sein!

Für eine vernünftige Ernährung in Aquarien läßt sich daraus folgendes ableiten:
Gegenüber der geschilderten Nahrungsknappheit in den Gewässern des tropischen Regenwaldes ist schon die tägliche, meist auch zu reichliche und zu fette Fütterung recht bedenklich, meist sogar schädlich. Unnatürlich ist sie allemal!

Vergleicht man dazu einmal Größe und Zustand von Wildfängen (z. B. aus Erstbeschreibungen) lässt sich mit etwas Fantasie vermuten, dass es besonders diese kleinen Buntbarsche sind – die auf der Flucht vor ihren Freßfeinden nur selten zum Fressen kommen.

Daraus ergibt sich für mich die praxisuntermauerte Erfahrung, dass von den genannten Arten besonders viele – nicht an wirklichen Krankheiten, sondern an ihrer „Haustierkarriere“ sterben.

Doch es beginnt zu tagen in dieser Sache. Immer mehr Züchter erkennen, dass schon der Gedanke an die „stinkenden“ Lebensräume von Tubifex und Chironomus eigentlich eine strikte Abkehr auslösen müsste. Auch passt es einfach nicht zusammen, wenn einerseits ein erheblicher Aufwand für die Schadstoffbeseitigung betrieben wird, andererseits aber Schadstoffe den Fischen gleich löffelweise verabreicht werden.

Erfahrene Züchter ernähren anspruchsvolle Arten schon seit Generationen nahezu ausschließlich (95 %) mit Kleinkrebsen der Familie Copepoda. Das sind die bekannten Zyklops, welche in mehreren Arten aus wechselnden Gewässern gereicht werden.
Freilich ist auch diese – scheinbar recht einseitige Ernährung keineswegs natürlich. Doch ist sie offenbar reichhaltig genug, da keine Mangelerscheinungen auftreten, aber doch auch so „light“, dass es nicht zur Fettsucht kommt. Anscheinend ist sie das Mittelmaß, wonach viele noch suchen.

Welche Wechselwirkung aber mit diesem Futter auch ohne Farbmacher erreichbar ist, das schließlich dokumentieren die Fotos von Tieren aus meiner Zucht.

 

Lothar Zenner