Und es geht doch. Natürliche Aufzucht von Skalaren
Wahrscheinlich sind Sie ein Aquarianer. Wahrscheinlich haben Sie in Ihrer aquaristischen Laufbahn schon einmal Skalare gepflegt. Und wahrscheinlich haben Sie dann folgendes erlebt:
Sie kaufen sich eine Gruppe junger Tiere und ziehen diese liebevoll auf. Dann findet sich ein Paar, und sie haben vielleicht die Eiablage beobachtet. Vermutlich können Sie am nächsten Tag Ihren Skalaren nur noch "Mahlzeit" zurufen, wenn diese gerade ihre letzten Eier verspeisen. Und weil Eier so gut schmecken, wird im Abstand von wenigen Wochen erneut abgelaicht. Dieses Verhalten strapaziert die Nerven eines Aquarianers in der Regel derart, dass seine Skalare irgendwann einen Platzverweis bekommen.
Pterophylum altum
Einen solchen sprach auch mein im letzten Jahr verstorbener Vereinsfreund Rolf Nestler seinem Skalarenpaar aus, zumal vor und während der Ablaichphase ausgesprochene Unruhe in seinem Schaubecken herrschte. Rolf hasste Unruhe. Auf der Suche nach einem neuen Zuhause für seine Fische sprach er mich an. Die Tiere hätten wunderschöne rote Augen, fast die Form eines AltumSkalars, und außerdem würden direkte Verwandte seines Paares auch im Aquarium unseres Bundeskanzlers schwimmen.
Das überzeugte mich, obwohl ich eigentlich nur Zwergbuntbarsche pflege. Also bezogen die Skalare ein frisch eingerichtetes Becken mit den Maßen 100 x 40 x 40 cm. Mit Hilfe einer Osmose-Anlage hatte ich den Leitwert des Wassers auf 200 µS bei einem pH-Wert von 6,5 eingestellt. Gefüttert wurde reichlich mit lebenden Zyklops und schwarzen Mückenlarven. Weitere Fische befanden sich nicht im Becken. So musste es den Skalaren wohl langweilig geworden sein, denn schon nach einer Woche laichten sie auf einem Blatt des Javafarns ab.
Ich widmete diesem Treiben keine besondere Aufmerksamkeit, denn jeder erfahrene Aquarianer weiß, das gibt sowieso nichts. Gab es aber doch. Jedenfalls führten die Eltern ihre Brut nach ca. einer Woche durchs Becken. Bei dem Versuch, die Winzlinge mit Artemia-Nauplien zu füttern, bekam ich Probleme mit den Elterntieren. Anstatt mir bei der Fütterung hilfreich zur Seite zu stehen, vermuteten sie in mir einen Feindfisch, der es auf ihre Brut abgesehen hatte (dabei sehe ich gar nicht wie ein Feindfisch aus). Jedenfalls wurde bei jedem Annäherungsversuch der Schwarm heftig durcheinander gewirbelt. Und weil man bei einer Anzahl von 200 Exemplaren nicht jeden Jungfisch einzeln füttern kann, dezimierte sich der Schwarm nach acht Wochen auf etwa 80 Tiere.
Da ich zu dieser Zeit das Becken für andere Zuchtzwecke benötigte, wurden die jungen Skalare mit ihren Eltern in meine Hälterungsanlage umgesetzt. Obwohl die Jungfische inzwischen eine Gesamtkörperhöhe von etwa 10 cm erreicht hatten, behielten die Elterntiere ihre Aggressivität. Nicht wenige Besucher meiner Zuchtanlage wurden von den Skalaren mit einem Wasserschwall empfangen und sprangen erschrocken zur Seite. Wenn ich dann erklärte, dass die Skalare noch Brutpflege betreiben, wurde ich angeschaut, als ob ich nicht alle Tassen im Schrank hätte. Jedenfalls waren diese Fische noch wochenlang die Attraktion meiner Zuchtanlage.
Sie sehen, es geht doch. Man braucht nur ein mittelgroßes Aquarium mit einem Skalarepaar, keimarmes weiches Wasser und gutes Futter. Falls es bei Ihnen dennoch nicht klappt, dann versuchen Sie es doch einmal mit dem Mond. In meiner Zuchtanlage leuchtet er jede Nacht in Form einer 15-Watt Lampe. So können sich die Fische noch orientieren und ihre Brut zusammenhalten.
Lutz Schürmanns