Beobachtet man monomorphe und zugleich monogame Offenbrüter, so sind bei ihnen hoch entwickelte Sozialstrukturen erkennbar. Dabei fällt auf, dass zwischen den Sexualpartnern in hohem Maße einheitliche, in der Regel sogar identische Signal- bzw. Zeichnungsmuster entwickelt sind.
Dies erklärt sich daraus, dass schon zur Herstellung und "Funktion" eines Paares, das bis zur Selbständigkeit einer Brut beisammen bleibt, weit mehr Berührungspunkte gegeben sind. Gleiche Aufgaben innerhalb der Brutbiologie erfordern dabei einheitlich gestaltete Informationsstrukturen.
Der Informationsfluss zwischen den Partnern und der Brut würde ja auch kaum funktionieren, würden die Eltern unterschiedliche Signale präsentieren. An welchem sollte sich die Brut orientieren?
Ehe es aber dazu kommt, fällt eine wichtige Entscheidung schon sehr viel früher. Schon während der bei Offenbrütern in der Regel lang währenden Balz prüfen sich Männchen und Weibchen, ob die angehende Partnerschaft auch "hält", ob sie den künftigen
Aufgaben, aber auch den Gefahren einer Brutperiode gewachsen sind.
Schließlich investieren beide Partner sehr viel der in der Natur nur mühsam gewonnenen Energie in den Fortbestand der Art. Irrtümer können sie sich daher dort nicht leisten. So testen sie sich gegenseitig auf die Gleichheit des Verhaltens, auf die Gleichheit der Signalmuster, sie testen auch die Reaktionen des Partners, ob es auch der Richtige ist, um mit ihm das Wagnis einzugehen, worauf schon so viele hungrige Feinde warten. Nicht selten ist dabei zu beobachten, wie ein festes Ritual mehrfach "durchexerziert" wird, um die notwendige Synchronisation der Triebe und des Verhaltens herbeizuführen.
Visuelle Auslöser auch hier: Das arttypische Zeichnungsmuster der Balz und schließlich der Fortpflanzung, welches beide Eltern lange aneinander bindet.
Zum Vergleich das spezifische Verhalten der weniger "sozialen" Maulbrüter aus dem Malawi-See. Viele sind äußerst sexualdimorph und polygam. Die Sexualpartner zeigen eine oft extrem kurze Balz, den Ablaichvorgang, der in Minuten erfolgt und ohne feste Bindung bleibt. Balz und Fortpflanzung auslösende Signalmuster sind in der Regel nur beim Männchen und dazu recht wenig differenziert (z. B. Eiflecke) entwickelt. Die perfekte Mutterfamilie der betreffenden Arten benötigt anscheinend kein so kompliziert aufgebautes Informationssystem - denn das Männchen paart sich bereits nach kurzer Zeit hinter der nächsten Klippe mit der nächsten Partnerin. Aufgaben bei der Betreuung der Brut hat er nicht, wozu also Informationsfluß, wenn die Eier mit seinen Genen im Maul der Weibchen gut aufgehoben sind? Da kann schon mal eine Paarung "daneben gehen", und im Aquarium tut sie das ja auch!
Wesentlich komplizierter organisiert ist das Ganze bei den Apistogramma, Taeniacara, Apistogrammoides usw. Obwohl hier zuweilen auch von einer "Mutterfamilie" berichtet wird, trifft das die Wahrheit nicht einmal zur Hälfte. Denn: In der Natur wahrscheinlich, und bei größerem Raumangebot in Aquarien die Regel, ist eine Tendenz zur elterlichen Verteidigung der Brut. Nur müssen die Eltern genötigt sein, ihre Nachkommen vor dem "Verzehr" durch andere zu schützen. Dann sind sie trotz ihres oft sexualdimorphen Äußeren häufig monogam. Männchen und Weibchen befächeln und verteidigen ihre Brut oder tragen sie im Maul an einen sicheren Ort, was man doch sonst nur von monogamen Offenbrütern kennt.
Im Verhalten vieler Buntbarsche lässt sich daher immer wieder folgendes feststellen: Die Signalmuster zwischen Männchen und Weibchen sind ähnlich oder so weit identisch, wie beide Eltern zeitweilig gleiche Aufgaben in der Brutbiologie haben. Grob betrachtet zeigen sich drohende Männchen im gleichen Muster wie drohende Weibchen - soweit das Drohen aus der Brutverteidigung hervorgeht. Die Anlage für gleiche Muster ist also vorhanden. Aber es gibt eine weitere Differenzierung. Nämlich jene Muster, die artgleiche Männchen bei Rivalität präsentieren. Diese Muster sind bei Weibchen nicht oder nur schwach ausgebildet, da auch sie offenbar geschlechtsgebunden sind. Nach meinen Beobachtungen sind aber reine Elternfunktionen wie bei monogamen Offenbrütern immer von nahezu identischen Mustern, reine Männchen- bzw. Weibchenfunktionen aber von geschlechtstypischen Mustern begleitet. Diese logische Rollenverteilung mit dem dazugehörigen Merkmalsreichtum macht die Arten wohl auch weiterhin so interessant und begehrenswert.
Lothar Zenner