Ganz bewusst habe ich mich des Titels eines der Standardwerke über den Guppy bedient. Kurt Jacobs schrieb dieses leider nur noch antiquarisch erhältliche Werk, das bis heute nichts von seiner Qualität verloren hat. Es gibt keinen besseren oder einfallsreicheren Titel, und sie wissen ja, gut geklaut ist besser als schlecht selbst erfunden. |
Es ist erstaunlich, wie dieser kleine, anfänglich gar nicht so bunte Fisch seinen Siegeszug angetreten hat. Die meisten Aquarianer hat dieser kleine Kerl zum Hobby gebracht, denn fast alle haben mit den so genannten Anfängerfischen ( m.M. nach gibt es keine Anfängerfische) begonnen.
Aber woher stammt er, wie kam er zu uns und woher kommt seine immer noch ungebrochene Popularität? Über diesen Siegeszug berichtet mein Artikel, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, denn die würde den Rahmen eines kleinen Artikels sprengen. Sehen sie mir also evtl. Lücken nach.
Die ersten Mitteilungen über seltsame „lebendgebärende“ Fische wurden in Europa durch einen spanischen Astronomen, der zu Forschungszwecken in der Neuen Welt war, im Jahre 1769 verbreitet. Ja, sie lesen richtig, schon zu diesem sehr frühen Zeitpunkt war bekannt, dass es so etwas gab. Der erste lebende Poeciliide war wohl ein Augenfleckkärpfling (Poecilia vivipara) im Zoologischen Garten, Hamburg. Und zwar im Jahre 1870. Paul Matte führte im Jahre 1898 Kaudis (Phallceros caudimaculatus) ein. Das Paar kostete damals 150,-- Goldmark. Eine unvorstellbare Summe!
Doch zurück zum Guppy. Im Jahre 1857 erhielt das Zoologische Museum in Berlin eine von Julius Gollmer gefangene Fischsendung aus Venezuela. Diese wurde von Wilhelm C.H. Peters bearbeitet, der seine Ergebnisse in den Monatsberichten der Akademie veröffentlichte. Hier die Originalbeschreibung: Poecilia reticulata n. sp.
Grünlichgelb mit einem schwarzen Netzwerk, dessen Maschen den Rändern der Schuppen parallel liegen, am Bauche silbrig. Schuppen in 7 Längs und in 27 Querreihen, obwohl einige derselben durchbohrt erscheinen, ist doch keine deutliche Seitenlinie zu sehen. Ganze Länge 39, Höhe 9, Länge des Kopfes 7 mm.
Caracas; in dem Guayre Flusse von Gollmer gesammelt.
Für uns mutet diese Erstbeschreibung recht dürftig an, aber dies war die wissenschaftliche Geburtsstunde des Guppies.
Aber wie kam der Guppy zu seinem Populärnamen? Nun, 1866 fing der Engländer Robert John Lechmere Guppy auf der Karibikinsel Trinidad einige Tiere und ließ sie dem Leiter des Britischen Museums, Albert C.L. Günther zukommen. Dieser hielt die Tiere für nicht identisch mit Poecilia reticulata und benannte sie zu Ehren von Robert Guppy Girardinus guppyi. So trat dann der Name Guppy letztendlich seinen Siegeszug rund um die Welt an.
Im Jahre 1908 importierte Carl Siggelkow aus Venezuela die ersten lebenden Guppies nach Deutschland. Schnell wurden die Tiere in den Aquarien nachgezüchtet. Der Preis für ein Pärchen betrug im Jahre 1909 achtzig Goldmark. Johann Paul Arnold, der Erstzüchter beschrieb seine Nachzucht in einem Artikel voller Begeisterung und meinte, dass sämtliche Farben des Sonnenspektrums vertreten seien“. Im selben Jahr berichteten Züchter (Max G. Finck) von schwertförmigen Verlängerungen der Schwanzflosse. Bereits im Jahre 1914 berichteten mehrere Züchter von Ansätzen zu Schleier- und Fächerschwänzen, so wie über Schwanzflossen „ die mit langen Fahnen bei prächtigster Färbung geschmückt sind“ Abrupt beendete das erste große Desaster des Jahrhunderts, der erste Weltkrieg die weitere Entwicklung des Guppies.
Unmittelbar nach Ende des Krieges wurde in der „Wochenschrift“ ein Artikel abgedruckt, der bebildert war mit den Flossenformen Spatenschwanz, Rundschwanz, Speerschwanz und Obenschwert. Ein Jahr später konnten die Züchter an der ersten Guppyausstellung nach Kriegsende teilnehmen, und zwar in Beuthen.
Wieder ein Jahr später gab es den ersten Standard, erstellt vom traditionsreichen und sehr bekannten Verein Nymphea, Leipzig. Dieser Standard wurde bis in die dreißiger Jahre benutzt.
Was nun geschah in den dreißiger und zwanziger Jahren noch? Eine kurze Zusammenfassung zeigt, wie schnell der Guppy Europa und die USA eroberte. Die genetische Wissenschaft war fasziniert von unserem kleinen Kerl, regelmäßig wurde neue Erkenntnisse (Winge) veröffentlicht. In Schweden, Holland und Österreich entstanden Guppy Zucht Vereine, erste Mutationen tauchten auf, (Schweden) und die Flossenstandards wurden mehr und besser beschrieben.
Im Jahre 1941 gab es in Berlin eine Schau, die den schönsten Guppy ermitteln sollte. Das wäre nicht weiter erwähnenswert, aber hier wurde zum ersten Mal der Standart benutzt, der sich auf 100 Punkte bezieht. Diese Punktzahl findet bis heute Anwendung. Die unfassbaren Schrecken des zweiten Weltkrieges brachten auch die Guppyzucht zum völligen Erliegen. Während bereits 1946 ein Buch über den Guppy in England erschien und in Österreich ein Jahr später eine Guppyschau stattfand, dauerte es bis zum Jahre 1952, ehe eine Bundes Guppy Schau stattfand. Den endgültigen Durchbruch jedoch erlebte der kleine Kerl durch die 1. Internationale Guppyschau des Bundesgebietes im Jahre 1954 in Hannover. Paul Hähnel, der deutschstämmige Amerikaner, hatte per Luftfracht einige seiner Fächerschwänze auf die Ausstellung gebracht. Unvorstellbare 350,-- DM sollen alleine die Transportkosten ausgemacht haben. Diese Tiere waren eine bisher nie gesehene Sensation. Allgemein gilt Hähnel als Begründer der Hochzucht, aber bereits im Jahre 1934 zeigten zwei amerikanische Züchter auf Ausstellungen Fächerschwanzguppys. Henry Kissel, New Jersey und E. Visel, Brooklyn hatten Größe und Form der Tiere dem heutigen Hochzuchtguppy nahe gebracht. Sie waren kommerzielle Züchter, verlangten für ein Pärchen 5 $ und erzielten auf Ausstellungen viele Preise. Trotzdem bleibt die Leistung Hähnels völlig unbestritten.
In fast allen europäischen Ländern gründeten sich Guppy Zucht Vereinigungen, und so kam es im Jahre 1980 zur Gründung des IKGH, unter Einbeziehung der Osteuropäischen Länder. Dies war zur Zeit des eisernen Vorhanges eine beträchtliche Leistung. Das IKGH (Internationales Kuratorium f. Guppyhochzucht) organisiert jährlich die Europameisterschaft der Guppyzüchter. In Deutschland gibt es daneben die deutsche Meisterschaft sowie diverse Klubmeisterschaften. In meinem Klub, dem GKR (Guppy Klub Rheinland) beruht die Klubmeisterschaft auf den Ergebnissen der DM Ausstellungen! Mittlerweile haben sich sieben große deutsche Vereine etabliert. So ist das Zuchtgeschehen in Deutschland bestens geordnet. Wie sollte es in Deutschland auch anders sein?
Aber worin liegt nun der Reiz des Guppies, warum liegt er in den meisten Top 10 Listen der meistverkauften Fische immer noch ganz vorne? Erstens gilt er immer noch als Anfängerfisch, was er aber schon sehr lange nicht mehr ist. Wollen sie einen harten und widerstandsfähigen Guppy? Versuchen sie es mit Endlers oder Wildguppies. Hochzuchtguppies sind sehr empfindliche, mit großer Aufmerksamkeit zu behandelnde Tiere. Ihre Zucht und Haltung sind die hohe Kunst der Aquaristik. Sie glauben mir nicht? Versuchen Sie´s mal, schnell werden sie verzweifeln, denn schon die Haltung ist sehr problematisch.
Aber der wirkliche Grund für seine Popularität liegt in seiner großen genetischen Variabilität. Jeder, der über die Kenntnisse verfügt, Zeit und Geduld hat kann seinen ureigenen Stamm züchten, der sich von jedem anderen unterscheidet. So sind viele wunderschöne Zuchtformen, viele Farben und viele Standards entstanden. Die Vielfalt erstaunt selbst alte Züchter immer wieder. Und alles steckt genetisch in dem kleinen Wildguppy drin. Setzt man jedoch Hochzuchttiere aus, so sind sie in kurzer Zeit wieder zu Wildguppies geworden. Beispiele gibt es auch in Deutschland (Abwasserbach bei Köln) genug. Es bedarf ständiger züchterischer Arbeit, die Qualität zu erhalten.
Haben sie schon mal die glänzenden Kinderaugen gesehen, die gerade Zeuge einer Guppygeburt geworden sind? (Hoffentlich haben sie kein kannibalisches Weibchen erwischt!) Ganz zweifellos ist die Art der Vermehrung ein ganz gewichtiger Grund für seine immerwährende Anziehungskraft.
Es gibt noch eine ganze Reihe von Gründen, die diesen kleinen Kerl so unwiderstehlich machen. Ich denke an sein Balzverhalten, seine Lebendigkeit, den unvergleichlichen Farbenreichtum etc.,etc. Aber der wichtigste Grund ist nach wie vor: Ich mag ihn einfach, tagtäglich überrascht er mich mit Neuem, leider oft auch Negativem. Aber langweilig wird die Beschäftigung mit ihm nie!
Hans - Peter Neuse
Quellenangaben und Literaturhinweise:
Jacobs, K. (1976)Vom Guppy dem Millionenfisch, Band 1, Hannover
Jacobs, K. (1977)Vom Guppy dem Millionenfisch, Band 2, Hannover
Kempkes,Michael (1996)Der Guppy, Stuttgart
Meyer, Wischnath und Förster(1985)Lebendgebärende Zierfische, Melle
Petzold,H.-G.(1988)Der Guppy, Wittenberg
Kempkes, Michael(1998)DGLZ Rundschau 2/98, Solingen