Das Auftauchen zu immer der gleichen Jahreszeit hängt nicht mit einem speziellen Vermehrungszyklus oder anderen biologisch bedingten Faktoren zusammen, sondern hat schlicht und ergreifend den Hintergrund, dass viele Aquarianer im Sommerurlaub "Akti-nien pflücken gehen". Fast überall im Mittelmeer treffen wir die Aktinien in der Gezeitenzone, aber auch in Tauchtiefen bis zu 8 Metern an.
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Häufig ist die Zahl der Individuen so hoch, dass innerhalb kurzer Zeit nicht nur der Eigenbedarf von vielleicht 5 oder 8 Tieren gefunden ist, sondern in oft sträflicher Sammelleidenschaft der "Meeresfreund" weit mehr Tiere aus dem Meer entnimmt, als er selbst in seinen Aquarien pflegen könnte - die Folge kennen wir zur Genüge, die Händlerbecken füllen sich nach den Ferien mit diesen wirklich schönen und robusten Tieren.
Bitte denken Sie daran: das Meer ist kein Selbstbedienungsladen für uns Aquarianer und ein Verhalten, wie ich es oben sicherlich ein wenig überzogen geschildert habe, entfacht letztlich immer wieder die ansonsten unberechtigte Kritik an unserem Hobby, der Verarmung mancher Meerestierpopulationen Vorschub zu leisten. Also wenn schon, dann nur soviel, wie wir selbst pflegen können - 2-3 Tiere reichen aus, bei guten Wasserwerten und ausreichender abwechslungsreicher Fütterung die Aktinien schnell zur Vermehrung zu bringen.
Wenn Sie Actinia equina im Aquarium pflegen wollen, brauchen Sie nur wenige Dinge zu beachten, diese sind jedoch für eine erfolgreiche Haltung und insbesondere Nachzucht unbedingt zu beachten.
Die Erdbeerrose - wie ich das Erscheinungsbild von Actinia equina am stimmigsten bezeichnet finde - kommt im Mittelmeer vorwiegend in der roten Färbung in der stark bewegten Gezeitenzone vor. Diesem Umstand müssen wir bei der Aquarienhaltung unbedingt Rechnung tragen, da die Tiere eine sehr hohe Schleimproduktion zum Schutz vor Austrocknung haben. Dieser Schleim bewirkt, dass eine "Trockenperiode" bei Ebbe leicht überstanden wird und die Tiere keinerlei Schaden nehmen. Der produzierte Schleim muss jedoch regelmäßig abgestoßen werden, im Meer geschieht dies durch die natürliche Strömung und den Wellenschlag, im Aquarium müssen wir dies durch eine mittlere bis starke künstliche Strömung ermöglichen.
Einen einmal im Meer gewählten Standplatz verlässt die Erdbeerrose nur bei extremen Veränderungen der Wasserströmung oder bei starken anderen Störungen. Je nach Gegebenheiten nimmt sie vertikale, horizontale oft "kopfüber"-Haltungen ein, die sie, einmal daran gewöhnt für ihr ganzes Leben zu reproduzieren sucht. So kommt es, dass in ein Aquarium eingesetzte Tiere trotz scheinbar idealem Standortangebot mit diesem scheinbar nicht zufrieden sind und rastlos durch das Aquarium ziehen, bis sie dann hoffentlich einen ihnen genehmen Platz finden, der uns gar nicht so ideal erscheint. Aber alleinig die Aktinie entscheidet nach den Kriterien Strömung, Licht, Körperachsenplatzierung und nicht zuletzt dem Futterangebot.
Hiermit sind wir bei einem ganz entscheidenden Punkt der erfolgreichen Pflege und Zucht angelangt. Actinia equina braucht regelmäßig reichhaltiges Futter, um nicht einen langsamen Hungertod zu erleiden. Mindestens 2-mal wöchentlich brauchen die Tiere einen größeren Futterbrocken, wie z.B. eine Sandgarnele, halbierte Stinte oder Muschelfleisch. Zwischen diesen Fütterungen bedienen Sie sich an allem tierischen Futter, das sie irgendwie erreichen können. Hierzu zählen Krill, Artemien und sogar Zyklops ebenso wie gelegentlich ein unachtsamer kleiner Fisch, eine Garnele oder sogar ein größerer kränklicher Fisch. Die Nessel- und Haftfähigkeit der ca. 200 Tentakel ist außerordentlich hoch, ein einmal erfasster Fisch hat nur wenig Chance, dem sicheren Tode zu entgehen. Dies geschieht jedoch nur sehr selten, lediglich kranke und geschwächte Fische sind in der Regel gefährdet. Häufig gehen Anemonenfische in Ermangelung einer Wirtsanemone eine Ersatzpartnerschaft mit Aktinien ein. Obwohl hierbei die Größenverhältnisse meist überhaupt nicht zueinander passen, tolerieren die Aktinien dies und lassen diese Fische unbehelligt.
Werden Aktinien nicht ausreichend gefüttert, zehren sie die eigene Körpersubstanz auf und schrumpfen immer kleiner. Ist dieser Prozess zu weit fortgeschritten, kann er auch durch starke Fütterung oft nicht mehr aufgehalten werden, da sich die Tentakel im Verhältnis zur Körpermasse überproportional schnell und stark verkleinern und somit weder Futterfang noch Futtertransport in die Mundöffnung möglich sind.
Sehr große Vorsicht muss nach meiner Erfahrung beim Neueinsatz der Aktinien auf zu starkes, direktes Licht genommen werden. Insbesondere HQI-Licht kann zu erheblichen Schädigungen führen, da die Tiere in der Natur zwar in der Regel kurz unter der Wasseroberfläche leben, aber direktes Sonnenlicht durch Standplätze unter Vorsprüngen und ähnlichem meiden. Somit muss sich im Aquarium mit HQI-Licht erst ein entsprechend hoher UV-Schutz bilden, bevor die Tiere diesem Licht gefahrlos ausgesetzt werden dürfen. Diese Angleichung kann durchaus bis zu 3 Monaten andauern, solange müssen wir unbedingt Schattenplätze anbieten.
Aktinien sind recht unempfindlich gegen Vernesselung durch andere sessile Wirbellose. Auch belästigen sie umgekehrt, trotz ihrer großen Nesselkraft andere Wirbellose nicht, es sei denn, dass eine zu große Platzkonkurrenz entsteht. Dann ist jedoch Achtsamkeit geboten. Eine Aktinie von ca. 5 cm Durchmesser und regulären 4 cm Körperhöhe tolerierte in meinem Riffaquarium eine raschwüchsige Xenienkolonie bis auf 2 cm Körpernähe. Dann veränderte sie in wenigen Minuten ihre Körperform hin zu rund 8-9 cm Länge bei geschrumpftem Körper-durchmesser und vernesselte im gesamten erreichbaren Radius alle Xenien, die innerhalb kürzester Zeit eingingen. Es empfiehlt sich also ein wenig wachsam zu sein und notfalls "helfend" die Platzkonkurrenten in andere Bahnen zu lenken.
Die Vermehrung der Aktinien lässt sich durch gute, reichliche und mit Vitaminen angereicherte tierische Kost anregen. Die Aktinien bilden in ihrem Körper Polypen aus, die sie dann meist in der Nacht austoßen. Regelmäßig überleben einige der Polypen und setzen sich an strömungsgeschützteren Stellen im Aquarium fest. Die Aufzucht der Polypen erfolgt am besten im Ursprungsaquarium selbst, da ein Übersiedeln in ein anderes Becken wegen der anfänglichen Empfindlichkeit auf Veränderungen in den Wasserparametern kritisch ist. Zur Aufzucht benötigen die kleinen Aktinien zunächst Plankton, eine Fütterung mit frisch geschlüpften Artemien ist bereits nach ca. 1 Woche möglich.
Johannes Berns