Knaller im Meerwasser-Aquarium

Zum gemeinsamen Leben von Knallkrebsen und Symbiosegrundeln

Krebse der Familie der Alpheidae unterscheiden sich von anderen Garnelen und Krebsen im wesentlichen durch eine übergroße Knallschere, die ihnen den deutschen Namen "Pistolen-" bzw. "Knallkrebs" gab. Mit dieser Knallschere verfügen die Knallkrebse über eine von drei Besonderheiten in der Ordnung der Zehnfußkrebse, Decapoda. Mit der Schere erzeugen sie ein sehr lautes Knallgeräusch, das unter Wasser, aber auch außerhalb des Aquariums sehr gut zu hören ist.

 

 



Knallkrebs Alpheus sp. mit der
Symbiosegrundel Amblyeleotris diagonalis


Das laute Knallgeräusch erzeugen Knallkrebse durch einen Wasserstrahl, der durch eine Muskelbewegung beim Schließen und Öffnen der Knallschere mit hoher Geschwindigkeit herausgeschossen wird. Der Wasserstrahl wird zur Verteidigung, aber auch zum Futtererwerb genutzt. So werden von einem Knallkrebs der Gattung Alpheus in meinem Gesellschaftsaquarium große Krill fast immer "erschossen", Mysis und rote Mückenlarven dagegen nicht.
Eine weitere Besonderheit der Alpheidae sind ihre Augen. Sie befinden sich nicht, wie bei anderen Krebsen und Garnelen üblich, auf meist beweglichen Stielen außerhalb des Panzers, sondern liegen unter dem Panzer verborgen. Man erkennt nur zwei kleine - je nach Art - hellere oder dunklere Punkte hinter dem Rostrum (Stirnfortsatz). Die Krebse sind nahezu blind.
 
Die für uns Aquarianer wohl auffälligste Besonderheit ist das Zusammenleben der Knallkrebse mit Grundeln aus den Gattungen Cryptocentrus und Amblyeleotris.

 



Geringelte Symbiosegrundel, Amblyeleotris diagonalis


In dieser dauerhaften Symbiose, die auch im Aquarium weiter fortgeführt wird, nutzt der Krebs die gute Sehfähigkeit der Grundel, die das Umfeld der gemeinsamen Wohnhöhle wachsam beobachtet. Der Knallkrebs gräbt, nein er baggert den ganzen Tag. Er schiebt mit beiden Scheren, die er dann quer vor dem Körper hält, den Sand wie eine Planierraupe vor sich her und türmt ihn um den Eingang der Höhle auf. Größere Brocken packt er mit den Scheren und trägt sie regelrecht hinaus. So entsteht um den Eingang herum nach und nach ein kleiner Wall. Diese Anhöhe benutzt die mit ihm in Symbiose lebende Grundel gerne als Aussichtsplattform. Wird nicht gebaggert, dann befestigt der Knallkrebs sehr geschickt unter Einsatz seiner Scheren den Eingangsbereich mit größeren Steinen und Korallenstückchen.
Bevor der Krebs die sichere Höhle verlässt, sucht er mit seinen Fühlern den Kontakt zur Grundel. Bleibt diese ruhig, kommt er heraus, hält aber weiterhin ständig Kontakt. Bei Gefahr wird die Grundel nervös und zuckt hektisch mit den Rücken- und Afterflossen. Diese Signale veranlassen den sehschwachen Krebs zum sofortigen Rückzug in Richtung Höhleneingang. Bei akuter Gefahr verschwindet die Grundel blitzschnell in der engen Röhre. Dieser plötzliche Abriss der Signalleitung schaltet beim Krebs den "Turbo"-Rückwärtsgang ein - und auch er ist blitzschnell im Inneren der Wohnhöhle verschwunden. Einige Zeit nach einer solchen Fluchtaktion schaut zuerst die Grundel nach, ob die "Luft" wieder rein ist, erst später erscheint der Knallkrebs wieder auf der Bildfläche.
 
Dieses Verhalten ist besonders im Artenaquarium sehr gut zu beobachten. Die Einrichtung eines solchen Aquariums sollte aus ca. 6-10 cm hohem Bodengrund aus Korallensand feiner bis mittlerer Körnung bestehen, der mit einigen groben Stücken versetzt ist. Diese geben dem Höhleneingang, aber auch den später gegrabenen Gängen den nötigen Halt. Als Wohnröhrenersatz eignen sich halbe Blumentöpfe aus Steingut oder Ton, bei denen der Boden entfernt wird, oder Rohre aus Hart-PVC. Mit Sand bedeckt dienen diese Konstruktionen als Startloch für die künftigen Bergbauaktionen des Krebses.

 



Gelbe Symbiosegrundel, Cryptocentrus cinctus


Ein Gesellschaftsaquarium mit Wirbellosen und Fischen eignet sich auch zum späteren Einzug eines "Knallkrebses" allerdings ist es hierbei nicht immer möglich, den Eingang der Wohnhöhle zu bestimmen. Die gesamte Dekoration wird gnadenlos untergraben, bis der geeignete Unterschlupf gefunden ist. Ein Grund mehr, die Dekoration des Aquariums sicher und fest aufzubauen (wer auf Sand gebaut ... ).
 
Anfangs hört man seinen neuen Insassen nur oder sieht, mal hier mal da, neue Sandhügel im ach so aufgeräumten Aquarium. Aber mit ein wenig Glück liegt der Eingang der neuen Behausung so günstig, dass man ihn auch tagsüber gut beobachten kann. Alle gegrabenen Gänge werden tagsüber auch zum Durchqueren des Aquariums benutzt. Besonders zur Fütterung erscheint der Krebs in kurzen Abständen an allen möglichen Ausgängen, um Futterbrocken zu erhaschen. Aber auch im Gesellschaftsaquarium ist der Knallkrebs dauernd damit beschäftigt, seinen Wohnbereich zu verändern und den Sandboden nach Fressbarem zu durchsuchen. Ständig werden Seiteneingänge mit Sand und Steinen verschlossen und kurze Zeit später an anderer Stelle ein neuer Eingang geöffnet.
 
Tagsüber verlässt der Krebs den Ein- bzw. Ausgang seiner Höhle selten weiter als 5-10 cm, es sei denn, er steht mit seiner Grundel in Fühlerkontakt. Nachts, wenn alle anderen Beckeninsassen schlafen, schwimmt der "Knaller" noch einige Zeit im gesamten Aquarium auf Futtersuche herum. Im Gesellschaftsaquarium findet er genug Futterreste. Wirbellose Tiere werden nicht behelligt. Bei diesen Streifzügen wird die Knallschere oftmals so lautstark eingesetzt, dass man glaubt, es sei irgend etwas im oder am Aquarium zerbrochen. Anfangs bin ich sogar aus dem Schlaf hoch geschreckt. Einmal konnte ich beobachten - die Beleuchtung war schon eine Stunde ausgeschaltet - wie sich mein Alpheus sp. ein heftiges Gefecht mit einem Borstenwurm lieferte. Es knackte und knallte einige Dutzend Male, bis er mit seiner Beute in der Höhle verschwand.

 



Knallkrebs Alpheus sp.


In den letzten Jahren werden Knallkrebse aus der Familie Alpheidae immer häufiger importiert. Glücklicherweise vergisst man hierbei nicht mehr die zugehörige Grundel, so dass man ein einsatzfähiges Team erwerben kann. Meinen Knallkrebs habe ich allerdings als Einzeltier erworben. Im Meer leben die Krebse, aber auch die Grundeln, häufig paarweise zusammen. Ein nachträgliches Vergesellschaften mit Grundeln der Gattungen Cryptocentrus und Amblyeleotris ist jederzeit möglich. Zwar brauchen beide eine Eingewöhnungszeit, aber die Grundel, die in diesem Fall der aktivere Partner ist, lässt nicht locker. Nach einigen Tagen sitzen beide friedlich im Höhleneingang. Als erste Symbiosegrundel vergesellschaftete ich Amblyeleotris diagonalis mit Alpheus sp. Die beiden verstanden sich auf Anhieb prächtig, und schon am nächsten Morgen schauten sie gemeinsam aus der Wohnhöhle. Leider sprang die Grundel nach ca. drei Jahren aus dem Aquarium heraus.
 
Etwa zwei Jahren später schenkte mir ein befreundeter Aquarianer eine ziemlich zerzauste Cryptocentrus cinctus. Der von einer anderen Grundel übel zugerichtete Fisch flüchtete, nachdem ich ihn vorsichtig aus dem Transportbeutel entlassen hatte, zielsicher auf die Behausung des Knallkrebses zu. Durch einen heftigen Knall zunächst verschreckt, verschwanden beide nach kurzem Beschnuppern und Betasten aber im Untergrund. Heute nach rund vier Jahren leben beide immer noch friedlich miteinander.


Ralf Balven