Die ersten Vogelspinnen lebten vor etwa 250 - 300 Millionen Jahren, also im Karbon. Fossile Funde aus dieser Zeit ergaben, dass viele Fühlerlose (Chelicerata) den heute lebenden Formen sehr ähnlich waren.
Im Karbon existierten bereits Schwertschwanzkrebse (Ordnung Xiphosura) von 60 cm Länge. Heute sind diese interessanten Tiere nur noch in wenigen Arten auf die Küsten von Amerika und Südasien beschränkt.Fossile Funde von Geißelskorpionen und anderen spinnenähnlichen Lebewesen, die vor 350 Millionen Jahren lebten, lassen - wenn auch sehr lückenhaft - auf die heutige Spinnenfauna schließen.
Im Tertiär, also vor etwa 30 Millionen Jahren, gehörten die Vogelspinnen auch zur Fauna Europas. Heute leben nur noch sehr wenige echte Vogelspinnen der Unterfamilie Ichnocolinae in Europa, davon drei Arten in Südspanien. Interessant ist, dass sich die Formen der Vogelspinnen seit ihrer Entwicklung über einen Zeitraum erhalten haben, in der in anderen Tierstämmen ganze Ordnungen ausstarben.
Das Vermögen der Vogelspinnen, sich in einer ständig veränderten Umgebung zu behaupten, ist einer der Gründe dafür, dass diese urtümliche Form der Spinnenfauna noch heute besteht.
Zur Verwandtschaft der Vogelspinnen, die zur Ordnung der Araneae (Webspinnen) gehören, zählen nicht weniger als rund 34000 Spinnenarten. Davon gehören etwa 900 Arten zu den echten Vogelspinnen (Theraphosidae). Jährlich kommen einige Neuentdeckungen hinzu.Vogelspinnen bewohnen recht unterschiedliche Lebensräume. Es gibt unterirdisch lebende Arten, die niemals ihre selbstgegrabenen Erdhöhlen verlassen. Andere Arten wohnen unter Steinen. Eine sehr interessante Gruppe bilden die baumbewohnenden Vogelspinnen. Angepasst an ihre recht hohen Lebensräume in Baumhöhlen, Bromelien oder entlang der Rinde der Bäume, sind diese Tiere mit großen Haftpolstern an den Beinen ausgestattet, die es ihnen ermöglichen, an glatten Flächen mühelos entlang zu laufen. Während einer Flucht ermöglichen am ganzen Körper befindliche lange Haarbüschel sogar einen Gleitflug.Die einzigartige Behaarung der Vogelspinnen ist eines der erstaunlichsten Wunderwerke der Natur. Oft sind die Haare so klein, dass man sie nur unter dem Elektronenmikroskop sichtbar machen kann. Geruchshaare nehmen in Bruchteilen von Sekunden mittels chemotaktilen Rezeptoren die Informationen auf und können sogar die Qualität des Trinkwassers erkennen. Hörhaare nehmen niederfrequente Schallwellen wahr, andere Haare erspüren Bodenerschütterungen. Viele amerikanische Vogelspinnen besitzen auf ihrem Hinterleib so genannte Brennhaare. Sie sitzen recht locker auf der Haut. Durch Scheuerbewegungen der Hinterbeine ist die Spinne in der Lage, diese von ihrer Unterlage zu lösen und in die Luft zu wirbeln. Das Berühren dieser pfeilspitzen Härchen führt zu tagelangem Juckreiz und Hautrötungen. In die Schleimhäute der Atemwege gelangt, können sie heftigen Husten auslösen. Spinnen, die sich solch einer Waffe bedienen, nennt man auch Bombardierspinnen.
Die Hauptnahrung der Vogelspinnen besteht aus Insekten aller Art. Große Arten erbeuten manchmal auch kleine Nagetiere und Reptilien. Ein berühmter Kupferstich aus dem 17. Jahrhundert von Maria Sybilla Merian, zeigt eine Spinne mit einem erbeuteten Kolibri. Daher erhielten die Spinnen den Namen „Vogelspinnen".Vogelspinnen erreichen ein hohes Alter bis zu 25 Jahren. In dieser Zeit bauen sie jährlich einen Eikokon, der bis zu 2000 Eier enthalten kann. Junge Vogelspinnen fallen nahezu komplett Feinden zum Opfer, daher sind die Reproduktionsraten auch so hoch. Ein großer natürlicher Feind der erwachsenen Vogelspinnen ist die Wegwespe der Gattung Pepsis, die die Spinne erbeutet und mit einem Ei versieht. Aus diesem schlüpft eine Larve, die die Spinne verzehrt. Ein noch größerer Feind der Vogelspinne ist der Mensch, der ihre Lebensräume zerstört oder vergiftet.
Allerdings gibt es viele Arten die sich als Kulturfolger zeigen und von Landschaftsveränderungen profitieren. Einige solcher Arten stehen seit kurzem auf Anhang 11 des Washingtoner Artenschutzabkommens, weil hierin ein offenbar ausreichender Artenschutz gesehen wird, während die Lebensräume gerade dieser Arten durch Kultivierung der Landschaft und großzügige Bebauungspläne noch heute zerstört werden.
Peter Klaas